Patenschaftsstories

Carla hat von Januar 2017 bis Juli 2018 Zahra aus Afghanistan in einer Patenschaft begleitet. Die Patenschaft war auch insofern etwas Besonderes, da sich die beiden im Alter kaum unterscheiden. Mit 21 Jahren ist Carla eine unserer jüngsten Ehrenamtlichen und Zahra mit 17 Jahren eines unserer ältesten Patenkinder. Weil beide so offen aufeinander zugegangen sind und Carla Zahra herausgefordert hat, Neues zu entdecken und auszuprobieren, hat sich eine feste Freundschaft entwickelt, von der die beiden hoffen, dass sie auch über das zweisemestrige Auslandsstudium von Carla in Istanbul bestehen bleibt.

 

 

Carla verrät uns im Interview, was ihr die Patenschaft bedeutet hat:

Carla, wie war für dich die Erfahrung, eine Patin zu sein?

Für mich war es durchweg positiv, da ich selbst viel gelernt habe und mit Zahra einen wunderbaren Menschen und ihre Familie kennenlernen durfte. Auch wenn es manchmal Momente oder Situationen gab, die nicht die besten waren, hatten Zahra und ich in den allermeisten Fällen immer viel Spaß. Zu Beginn der Patenschaft musste ich Zahra zu manchen Dingen ermutigen und ihr zeigen, dass auch sie Vorschläge machen soll und darf und am Ende langer Tage, an denen wir beide müde waren, gingen uns manchmal die Themen aus.  Ansonsten gab es eigentlich immer etwas zu reden und mit der Zeit ist ihr Deutsch auch viel besser geworden und längere Diskussionen und Gespräche fallen ihr nicht mehr so schwer. Irgendwann war es auch möglich, dass wir einfach für kurze Zeit schweigend nebeneinanderher spazieren konnten. Im Laufe der Patenschaft haben wir immer mehr gemeinsame Interessen entwickelt.

Hat die Patenschaft für dich einen höheren Zeitaufwand bedeutet, als du erwartet hattest?

Ich hatte mich ja darauf eingelassen, Zeit aufzubringen und wusste, dass ich Zahra einmal die Woche sehen würde. Es war eher schwerer meine Uni- und ihre Schulzeiten miteinander zu vereinbaren und dann noch einzukalkulieren, dass ich besonders abends auch nicht all zu spät bei der Familie auftauchen würde. Aber trotzdem stimmt das absolut, denn mit der Zeit hat sich das Ganze so gewendet, dass ich manchmal gehen musste, obwohl der Moment unpassend war. Und gerade, wenn es Probleme gab, wurde ich gefragt, ob ich eben kurz vorbeischauen könnte. Anderes haben wir sonst auch der Zeit wegen über WhatsApp geklärt. Gegen Ende haben wir manchmal vier bis fünf Stunden miteinander verbracht.

Zahra und ihre Familie sind aus Afghanistan geflohen. Dies bringt viele Unsicherheiten mit sich. Warst du trotzdem zuversichtlich, dass du die Herausforderungen bewältigen würdest, die sich euch gestellt haben?

Nicht wirklich, da ich ja nie wusste, was passieren könnte. Die Herausforderungen, die sich uns aber gestellt haben, konnten wir dann auch gut lösen. Für mich war es sehr hilfreich, dass ich zu jeder Zeit wusste, dass ich mich mit der Familie an andere Stelle richten konnte, wenn ich alleine nicht mehr weiterkam. Und die Familie hat mir auch nicht das Gefühl gegeben, dass ich diejenige sein muss, die es schafft, alle Probleme aus der Welt zu schaffen. Die ganze Familie hat sich vielmehr gefreut, dass ich Zeit aufbringe, um Zahra und den Rest zu sehen.

Hast du das Gefühl, dass du und dein Patenkind gut zusammenpassen?

Ja absolut! Zahra und ich sind mittlerweile glaube ich gute Freundinnen geworden. Ich hatte eigentlich nie den Eindruck, dass sie die Zeit lieber anders verbringen würde, eher im Gegenteil! Mit meinem Job und anderen Dinge habe ich es leider oft nicht geschafft, Zahra zweimal in der Woche zu sehen. Und das hat sie sich ab und zu, glaube ich, gewünscht.

Inzwischen fühle ich mich mit Zahra sehr verbunden, weil Zahra auch von mir mittlerweile sehr persönliche Dinge weiß und ich weiß, dass ich ihr vertrauen kann.

Fühlst du dich manchmal ein wenig frustriert über die Tatsache, wie wenig sich im Leben deines Patenkindes veränderte?

Nein, eigentlich nicht, denn Zahra hat sich in den anderthalb Jahren immens entwickelt und das macht mich sehr glücklich. Was unsere Beziehung anbelangt, so ist sie mit der Zeit immer offener geworden. Dass Unzufriedenheit über kein richtiges Zuhause immer noch eine große Rolle spielt, ist mehr als verständlich. Auch ihre schulischen Leistungen sind viel besser geworden. Nur in Mathematik und Englisch hat Zahra Schwierigkeiten und sich deshalb jetzt auch alleine dazu entschieden, die 9. Klasse zu wiederholen.

Dass ich mir für Zahra gewünscht hätte, dass sie in ihrer Freizeit mehr Zeit mit gleichaltrigen Menschen verbringt oder feste Trainingszeiten in einem Sportverein hat, liegt wohl eher daran, dass Zahra immer viel für die Schule gemacht hat, lange Wege nach Hause hatte und auch innerhalb der Familie eine wichtige Rolle einnimmt. Deshalb war es leider für Zahra auch nicht immer möglich Termine festzulegen. Denn ich hätte gerne öfters mit ihr und gemeinsam mit anderen Menschen oder über die Angebote von „HiMate.org“ (einer Online-Plattform, auf der sich Tandems für kostenlose Gutscheine für kulturelle Veranstaltungen und Freizeitaktivitäten registrieren können, Anm. d. Red.) etwas unternommen.

Was war der schönste Moment für dich in eurer Patenschaft?

Der schönste Moment in der Patenschaft war für mich als ich Zahra Fahrradfahren auf dem Tempelhofer Feld beigebracht habe, als die Familie die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erhalten hat und als ich gemerkt habe, dass jeder in der Familie sich mit jeweils anderen persönlichen Anliegen an mich wendet und ich endgültig das Vertrauen von allen gewonnen habe.

Die Patenschaft hat auch meine Sichtweise auf das Leben folgendermaßen verändert: Vielleicht hat mir die Patenschaft eher gezeigt, dass alles ein Ständiges geben und nehmen ist. Denn als Patin sehe ich mich gar nicht, sondern eher als Freundin. Denn soviel ich für die Familie und Zahra auch tun mag, es kommt auch super viel Schönes an mich zurück.

Wie hat dich unser Verein in der Begleitung eurer Patenschaft unterstützt?

Durch die Seminare habe ich von WIR GESTALTEN e.V. gute Hinweise bekommen, wie ich die Beziehung zu meinem Patenkind vertiefen könnte. Die Seminare haben mir insgesamt gut gefallen. Leider konnte ich nur nicht an allen teilnehmen. Von WIR GESTALTEN e.V. habe ich mich sehr willkommen gefühlt und ich habe mich auch immer sehr gefreut, bei den Veranstaltungen in den Austausch über meine Patenschaft aber auch mein sonstiges Leben zu kommen.

Dem Verein möchte ich noch einen Wunsch mit auf den Weg geben: Ich fände es interessant, die Rolle der Patenkinder noch mehr in den Vordergrund zu stellen.